Grundsatzpapier Radverkehrsanlagen

Das „Grundsatzpapier Radverkehrsanlagen“ entstand 1993 in einem Arbeitskreis mehrerer Bielefelder Verkehrsinitiativen, im einzelnen: Gruppe aktiver FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen (GAFF), Ortsgruppe Bielefeld des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), Kreisverband Bielefeld des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und Verkehrs-AG der Grünen in Bielefeld. Es wurde der Lokalpresse vorgestellt und der Stadtverwaltung zur Berücksichtigung bei weiteren Planungen übergeben. Ein einleitendes Schreiben an die Stadtverwaltung enthielt die folgende Zusammenfassung:

Das Papier ist eine grundsätzliche Stellungnahme, in der die Anforderungen der Verkehrsverbände an „Radverkehrsanlagen“ zusammengefaßt werden sollen. Dieser Begriff wurde bewußt gewählt, um zu verdeutlichen, daß zur Förderung des Radverkehrs andere und umfassendere Maßnahmen erforderlich sind als der mehr oder weniger flächendeckende Bau von Radwegen.

In den vergangenen 10 bis 15 Jahren ist die Förderung des Radverkehrs zu einem wichtigen Thema in der Politik geworden. Durch die dann tatsächlich gebauten Radverkehrsanlagen wurde jedoch vielfach eher eine Behinderung und Gefährdung erreicht. Inzwischen häufen sich in Studien aus der Verkehrssicherheitsforschung Ergebnisse, die unzweifelhaft feststellen, daß Radwege auf Bürgersteigen besonders an Knotenpunkten zu einer erhöhten Unfallgefahr führen. Weiterhin werden durch diese Radwege Konflikte mit dem Fußverkehr provoziert. Hinzu kommen Komfortmängel wie Umwegführungen, schlechte Reinigung der Wege von Schnee und Glasscherben u.ä.

Anstelle dieser heute auch in Bielefeld weit verbreiteten (und ohne Berücksichtigung der Einzelsituation gebauten) Bürgersteigradwege sind Radstreifen im Fahrbahnbereich die anzustrebende Lösung. Zu diesem Urteil gelangen auch mehrere der erwähnten Studien, insbesondere in Bezug auf die Unfallgefahren im Kreuzungsbereich. So empfiehlt z.B. die Bundesanstalt für Straßenwesen: „Gegebenenfalls vorhandene Radwege sollten deshalb an Knotenpunkten durch Radfahrstreifen ersetzt werden.“ (zit. nach „Forschungsdienst Fahrrad“ Nr. 189). Anzustreben ist jedoch nicht ein punktueller Umbau an Kreuzungen, sondern ein insgesamt verbessertes Konzept der Radverkehrsführung. Zur Gestaltung von Kreuzungen im Rahmen einer solcher Konzeption macht das Grundsatzpapier detaillierte Vorschläge.

Eins der größten Probleme in Bielefeld ist das lückenhafte Radverkehrsnetz. Durch das unberechenbare Auftauchen und Verschwinden von Radwegen ergeben sich zusätzliche Gefahren. Auch sind schon vorhandene Radwege oft in einem nicht benutzbaren Zustand, sei es durch Abnutzungserscheinungen oder planerische Mängel. Die Beseitigung von Lücken und mangelhaften Stellen im Radverkehrsnetz darf nicht abhängen von den Zufällen anderer Bauprogramme (Kanalbaumaßnahmen o.ä.), in deren Zuge Radverkehrsanlagen gerne „nebenbei“ angelegt werden. Stattdessen ist ein eigenes Programm zur gezielten Herstellung eines echten Radverkehrsnetzes erforderlich. Die Grundlage dazu liegt seit mehreren Jahren in den Schubladen der Bielefelder Verwaltung: der von der Stadt in Auftrag gegebene „Radverkehrsplan Bielefeld“. Bei der Umsetzung dieses Plans empfiehlt es sich gerade auch aus Kostengründen, verstärkt Radstreifen statt Radwegen zu verwenden.

Leider werden die bisherigen Planungen für den Radverkehr oft nicht aus RadfahrerInnenperspektive gemacht. Einmal angenommene Standards werden gedankenlos in passenden und unpassenden Situationen verwendet. Die Verkehrsinitiativen vermissen eine planerische Vielfalt, die sach- und fachgerecht die Lage „vor Ort“ berücksichtigt. Gestaltungselemente, die in Bielefeld bisher zu wenig angewandt werden, sind z.B. Öffnung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung, Freigabe von Fußgängerzonen (dies allerdings in vorsichtiger Abwägung des Einzelfalls), Fahrradstraßen und Velorouten, kombinierte Rad- und Busspuren (auch dies mit Vorsicht), an Kreuzungen Linksabbiegestreifen, „Fahrradweichen“, zurückverlegte Haltelinien, Ampelvorrangschaltungen und „Fahrradschleusen“ sowie Konzepte für Wegweisungen und Abstellanlagen.

Das folgende PDF-Dokument ist eine 2015 und 2018 reformatierte Version des Textes.

Grundsatzpapier Radverkehrsanlagen (Bielefelder Verkehrsinitiativen, 1993).pdf